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Autor Thema: Traum vom Geld  (Gelesen 2299 mal)

anarion

  • Elbischer Pilger
  • **
  • Beiträge: 176
Traum vom Geld
« am: 11. Jul 2011, 23:58 »
„Ah Scheiße!“ brummte Werner und schälte sich aus seiner Schlafzelle. Er war mies gelaunt. Das war nichts besonderes. Werner war meistens mies gelaunt. Verschlafen quälte er sich zum Waschsektor seiner Wohneinheit. Die anderen Bewohner trotteten ihm entgegen, einige schon im Anzug, andere noch in ihrem Schlafoveral. Er stellte sich für die Duschzellen an und nutzte die Zeit um schnell einen Blick auf den Newsscreen zu werfen. Missmutig las er die Schlagzeilen. Die größte Bank der Nation hatte soeben den Informationsgigant Infocom aufgekauft und pries die daraus resultierenden Investitionsmöglichkeite n nun großflächig auf der Titelseite der Stadtzeitung an. Werner überlegte kurz ob er sein bitter erspartes nicht tatsächlich in diese Aktien investieren sollte. Doch schnell wurde ihm klar das er sich wohl nicht mal eine Aktie würde leisten können.
Wie so oft blieb ihm nur, den letzten Schrott zu kaufen und zu hoffen das sich eine seiner Investitionen in Gold verwandeln würde. Nach der automatischen Wäsche durch die Duschzelle würge er noch schnell einen Power-Riegel runter und beeilte sich dann, die Schnellbahn zu seiner Arbeitszelle zu erwischen. Grade rechtzeitig stürzte er durch die Türen und ergatterte einen bequemen Platz an einem Fenster. Gedankenverloren betrachtete er die Wohnkomplexe, die an ihm vorbeizogen. Er konnte sich glücklich schätzen in so einem anständigen Viertel schlafen zu dürfen. Das Bild änderte sich nämlich rapide als die Sicherheitszäune passiert wurden. Voller Abscheu drehte Werner sich weg und ärgerte sich über den Ausblick. Kilometerweit erstreckten sich jetzt Slums in seinem Blickfeld. „Fauler Abschaum sind diese Leute,“ dachte er bei sich, „sie erkennen das Geschenk unseres Staates nicht und glauben durch Faulheit durchs leben zu kommen.“ Stolz dachte er daran, wie er die Arbeitsvorbereitungsanst alt als einer der Einheitsbesten abgeschlossen hatte und er darauf sogar in den Genuss einer weiterführenden Ausbildung kommen durfte. Sonst hätte er sich nie den Luxus einer sauberen und 4 Quadratmeter großen Schlafzelle in einem so sicheren Viertel leisten können. Sogar ein eigenes Multimedia-System durfte er nun sein eigen nennen. „Elende Anarchisten.“ brummte er noch einmal beim Anblick des riesigen Armenviertels und wendete sich dann einem Media-Screen zu. Großflächig wurde dort der allerneuste Weg zu Reichtum beworben. Aktiengroßhändler und lebende Legende Mike Wertingfield pries soeben die Wertpapiere eines Atomriesen an und listete Vorteile und Chancen einer Spekulation auf Brotpreise auf. Herzlich lächelnd wurden Bilder aus Afrika und Südamerika gezeigt, untetitelt mit dem Slogan: „Hunger haben die Menschen immer. Wir helfen ihnen unter Profit zu helfen.“
Kopfschüttelnd drehte Werner sich weg. Er wusste genau, dass Afrika und Südamerika nicht mal ansatzweise genug Zahlungsmittel zur Verfügung hattten, um auch nur ein viertel der Bevölkerung zu ernähren. Somit war die Fehlinvestition offensichtlich. Endlich erreichte er den Arbeitssektor und verließ die Schnellbahn in Richtung des Konzerns, für den er arbeitete. Groß prangte über dem Eingangsportal: „ Arbeite hart und du wirst belohnt werden.“ Werner nahm sich heute vor, doppelt so hart zu arbeiten wie sonst. Heute würde er endlich die Aufmerksamkeit des Schichtleiters erlangen und sich seine Beförderung verdienen. Dann wären es nur noch 3 Schritte auf der Karriereleiter bis er endlich genug Geld hätte sich ein Wohnmodul zu leisten. Sehnsüchtig starrte er auf die Motivationsbilder die im Foyer großflächig die Wände schmückten. Sie zeigten die Villen der Reichen und Mächtigen, gelegen in den letzten Naturreservaten und strenger bewacht als alle Wohnkomplexe des Landes zusammen. „Das alles kann dir gehören.“ warb ein Slogan über den Bildern. „Disziplin, Gehorsam und Unternehmergeist erfüllen dir deine Wünsche.“
Kaum in seiner Arbeitszelle angelangt glitt sein Blick jedoch schon auf die Uhr an seinem Handgelenk. „Noch 12 Stunden.“ dachte er bei sich. „Und in 7 Wochen kann ich mir vielleicht sogar Urlaub nehmen.“ Sehnsucht ergriff ihn.
Ich habe nichts zu sagen....