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Autor Thema: Das verfluchte Artefakt: Die Suche  (Gelesen 3667 mal)

Khamul

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Das verfluchte Artefakt: Die Suche
« am: 1. Dez 2008, 20:22 »
Ja, der Trottel, der eine Geschichte mit Dinos schreiben wolle, ist wieder da! Ja genau, der Trottel, der schon 95 Seiten einer Fortsetzung von HdR geschrieben hat, bis er endlich draufgekommen ist, wie unkreativ das alles eigentlich ist...
Selbsterkenntnis ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung, und nach einer ziemlich langen Kreativpause (während der man im RPG schon geglaubt hat, ich wäre ganz weg vom Fenster) hab ich endlich mal ne neue Geschichte! Beschreibungen von Schauplatz, der Welt und allem Drum und Dran kommen nach und nach in einem eigenen Thread, also mal viel Spaß mit meiner Eigenkreation^^



Für ein Paket Proviant:

Erek reichte seinem Herrn die Lanze. Der gepanzerte Reiter nahm sie wortlos an. Er trug eine schwere Rüstung aus silbernen Panzerplatten über einem wertvollen Kettenhemd. An einem Gürtel an seiner Hüfte hing eine lederne Schwertscheide. Darin befand sich ein langes Schwert mit silbernem Griff. Auf der Brust und am metallenen Schild des Ritters war ein Drache aufgemalt worden, der auf einer Burg thronte. Sein Gesicht war ernst, er trug lange schwarze Haare und einen schlecht gestutzten Vollbart. Eben klappte Ereks Herr sein Visier zu. Am Mund waren scharfe Drachenzähne ausgestanzt worden, welche die Worte des Ritters beim Sprechen verzerrten. Das angespannte Atmen klang dadurch wie das bedrohliche Zischen eines Drachen, der zum Kampfe bereit war.
Der junge Knappe Erek war im Gegensatz zu seinem Herrn nicht gerade vorbildlich ausgerüstet. Anstatt eines eisernen Kettenhemdes musste ein Lederwams seinen Körper schützen. Wo sein Herr ein weißes Schlachtross ritt, musste er mit einem alten lahmenden Hengst vorlieb nehmen. Seine Hose war aus borstigen Stoffen, an seinem Gürtel hing nur ein kurzes Breitschwert und sein Schild war gänzlich aus Holz. Er war der Knappe des Ritters Karl, doch eines Tages wollte er selbst ein solch vornehmer Reiter werden. Leider musste dies noch einige Jahre warten, denn er war erst siebzehn Winter alt, Ritter wurde man frühestens mit einundzwanzig.
„Sofern man von seinem Herrn freigegeben wird“, dachte Erek bitter. Er mochte Karl, doch er war sich nicht sicher, ob dieser es ihm erlauben würde, selbst in Abenteuer zu ziehen. Eigentlich befanden sie sich jetzt schon in einem. Sein Herr hatte ihn auf die Suche mitgenommen, um ihm zu zeigen, dass ein Abenteuer anstrengender war als es klang. Es waren nämlich auch viele andere Ritter auf derselben Suche, und diese taten ihr Bestes, um alle anderen dabei zu behindern. So einem Widersacher stand Karl soeben gegenüber.
Ebenso wie Karl trug er eine silberne Plattenrüstung, doch er ritt ein kräftig gebautes braunes Pferd, und sein Wappen zeigte einen Falken mit einer Schlange in den Fängen. Dieser fremde Ritter hatte außerdem ein größeres Gefolge mit sich. Fünf Knappen und drei bewaffnete Knechte ritten mit ihm. Dieser Ritter, Gerhard war sein Name, war mit Sicherheit reich, wenn nicht sogar ein Graf. Sein Visier war ein Abdruck eines Gesichtes, welches bestimmt mit viel Mühe geschmiedet worden war.
Zwischen den Beiden Rittern herrschte eine Anspannung, die förmlich zu spüren war. Erek wagte es kaum, zu atmen, um die beiden Kontrahenten nicht bei ihrer Konzentration zu stören. Immer nervöser huschten seine Augen von seinem Herrn Karl zu dessen Widersacher Gerhard. Immer schneller pochte sein Herz, immer mehr wünschte er sich, der Kampf möge endlich beginnen.
Endlich grub Karl seinem Pferd die Fersen in die Seiten! Begleitet wurde der rasche Angriff von einem Schrei, der durch das Visier des Helms wie das Brüllen eines angreifenden Drachen klang. Dies gehörte zu Karls Strategie, und der Laut verängstigte Erek nicht, vielmehr beruhigte er ihn. Der Ritter Gerhard war jedoch durch den Laut sichtlich verunsichert worden und zögerte noch einen Moment, ehe er sein Pferd ebenfalls zum Sturmangriff anspornte. Während der Abstand zwischen den Beiden immer kleiner wurde, senkten sie bedrohlich ihre Lanzen, bereit, sich gegenseitig vom Pferd zu stoßen. Mit pochendem Herzen sah Erek seinem Herrn hinterher. Ein verlorener Kampf würde bedeuten, dass Karl dem Sieger einen Wunsch erfüllen musste, und so verloren sie nur Zeit. Bestimmt würde dieser Gerhard sie ans andere Ende der Welt schicken, nur um vor ihnen am Ziel zu sein und vom König belohnt zu werden...
Das Geräusch von splitterndem Holz ertönte, als die beiden Ritter aufeinander stießen. Von seinem Standpunkt aus konnte Erek noch nicht erkennen, wessen Lanze geborsten war. Sein Herr hätte noch zwei in Reserve, also wäre es für ihn wohl nicht so schlimm, solange er sich lange genug im Sattel halten konnte. Doch als der junge Knappe sah, wie der Ritter Gerhard mit einem abgebrochenen Holzschaft scheppernd zu Boden fiel, atmete er erleichtert auf. Er spornte seinen lahmenden Klepper an, schnell zu Karl zu eilen und mit anzuhören, was ihr besiegter Feind zu sagen hatte.
Auch die Knappen und Knechte, die dem Ritter Gerhard folgten, eilten zu ihrem Herrn, um ihm hoch zu helfen. Als Erek neben Karl angekommen war, bemerkte er, dass dieser schon sein Visier geöffnet hatte. Der Ritter lächelte ihm zu. Obwohl er Ereks Lehrmeister war, standen die Beiden sich doch so nahe wie gute Freunde es einander tun. Karl hatte keine Frau, daher war Erek wohl der Mensch, der ihm am Nahesten stand.
Schnaubend wie ein altes Pferd richtete sich Gerhard auf und stieß seine Gefolgsleute, die ihm hoch helfen wollten, grob von sich weg. Als er sein Visier öffnete, erschien ein vor Zorn verzerrtes Gesicht mit Blondem Schnurrbart. An der Stirn konnte man noch einige unter dem Helm versteckte Blonde Haare erkennen. „Ihr habt mich besiegt...“, knirschte Gerhard mit zusammengepressten Zähnen: „Was verlangt Ihr also von mir, Drachenritter Karl?“
Karl erwiderte die drohenden Worte des Besiegten mit einem provozierenden Lächeln: „Es ehrt mich, dass Ihr mich als Drachenritter bezeichnet, Ritter Gerhard... Oder seid Ihr gar Graf, da Ihr fünf Knappen und drei Söldner mit Euch führt?“
„Acht!“, knurrte Gerhard zurück: „Acht Söldner reiten mit mir, nur sind fünf von ihnen zur Zeit auf der Jagd! Und ja, wahrhaftig, ich bin Graf der Ostmark, die ständig von den Ostmannen bedroht wird! Ich habe mir jedoch einige Siege gegen sie erarbeitet, wodurch ich viel Ruhm und Ansehen in meinem Land gewonnen habe. Ich gelte als der tapferste Mann im Nemezischen Reich! Und Ihr? Aus welchem Reich stammt Ihr denn, werter Herr Karl?“
„Ihr habt wahrhaftig das Kommando über die große Ostmark im mächtigen Nemezien? Ich dachte, in Eurem Reich hätten sich alle dem falschen Glauben verschrieben?“
Erek war froh, dass Karl das Gespräch fürs Erste in eine ruhigere Bahn lenkte. So konnten sie wenigstens ein wenig über die Welt erfahren. So uninteressant war nämlich der Rest von Latinien auch wieder nicht. Und vor Allem nicht das ferne Nemezien, welches einst ein rechtgläubiges Volk gewesen war. Es war jedoch der „Reformant“, wie ihn seine Anhänger nannten, gekommen, und hatte sie vom rechten Glauben abgebracht. Obwohl sie behaupteten, die gleiche Lehre zu verbreiten und an den gleichen Gott zu glauben, war ihre Glaubensschrift von Teufelshand. Ihre Lehre besagte nämlich, dass ein jeder seinen Glauben leben solle, auch wenn er der falsche wäre. Doch genau deshalb war ihr Glaube ein falscher, und ihre Lehre somit ungültig! Dies alles hatte Erek während seiner Ausbildung als Knappe gelernt, und er war sich sicher, dass sein ehemaliger Lehrer, der Gottesdiener Bartholomäus, nicht gelogen hatte.
Gerhards verzerrtes Gesicht entspannte sich ein wenig, er war wohl auch beruhigt darüber, dass Karl seinen Sieg nicht so breit trat. Mit ruhigerer Stimme als zuvor antwortete er: „Meine Familie hat immer den rechten Glauben beibehalten, auch, wenn wir gegen das dritte Gebot des heiligen Glaubens verstoßen haben, und die Heiden am Leben ließen. Sie waren mehr, und wir hätten uns ihnen niemals stellen können. Besonders seit der König von Nemezien zum falschen Glauben übergegangen ist. Da der falsche Glauben jedoch auch andere Religionen duldet, blieb meine Familie im Besitz der Ostmark. Jetzt, da ich auf der Suche bin, verwaltet meine Frau Sigune meine Ländereien. Als Lohn für diese will ich beim heiligen Vater um einen Kreuzzug nach Nemezien bitten, um dieses verfluchte Land endlich vom falschen Glauben zu befreien!“
Karl machte ein leicht nachdenkliches Gesicht. Es schien ihm nicht zu missfallen, das Land Nemezien vom falschen Glauben zu befreien. Schließlich sagte er zu Gerhard: „Ein wirklich edles Motiv, sich auf die Suche zu begeben. Der Herr wird es Euch sicher lohnen! Ihr sagtet doch, fünf eurer Männer wären auf der Jagd. Meinem Knappen und mir ist der Proviant ausgegangen. Als Lohn für meinen Sieg will ich ein Paket Proviant für drei Tage, welches für uns beide reicht!“
Von einem Moment auf den anderen wurde Gerhards Gesichtsausdruck wieder zornig. Es war ihm sichtlich zuwider, seine Knechte noch einmal zur Jagd schicken zu müssen. Doch er musste es tun, denn seine Ritterehre verlangte dies von ihm. Mürrisch antwortete er den Beiden: „Dann soll eben dies der Lohn für Euren Sieg sein, Ritter Karl! Ihr seid ein guter Kämpfer, doch zu zweien werdet ihr wohl nicht in die fernen Feuerlande vordringen können. Reich seid Ihr wohl nicht, habe ich Recht? Besitzt Ihr überhaupt eine Burg oder eine Frau?“
Erek schluckte. Solche Fragen waren Karl äußerst zuwider, auch, wenn er gelernt hatte, sich dies nicht anmerken zu lassen. Nur zögernd antwortete er: „Ich bin ein fahrender Ritter, auf der Suche nach dem Abenteuer. Mit den Frauen hatte ich noch nie Glück. Ursprünglich komme ich aus Hellenien, doch seit meinem Ritterschlag ziehe ich heimatlos durch das Land und biete jedem meine Dienste an. Vor einem Monat traf ich Erek, der hier neben mir steht. Er war gerade mit seiner Ausbildung fertig geworden und will unbedingt ein Ritter werden, also habe ich ihn mit mir genommen. Ich will nur dem heiligen Vater einen Dienst erweisen, dies ist der einzige Grund, warum ich mich auf die Suche gemacht habe.“
Die neugierigen Blicke Gerhards betasteten Erek. Schließlich winkte der Graf einen seiner Knappen herbei und befahl ihm, ein Vorratspaket für die Beiden zu schnüren. Dann wandte er sich wieder zu ihnen: „Euch wird es der Herr auch lohnen, so anspruchslos wie Ihr seid, Ritter Erek. Und auch du, Knappe Erek, darfst dich glücklich schätzen, auf dieser Suche dabei zu sein. Nun werden sich wohl unsere Wege trennen. Ich bin mir aber dennoch sicher, wir werden uns noch einmal wieder treffen.“ Als Gerhard geendet hatte, kam schon sein Knappe mit dem Proviant. Mit einem „Gottes Dank!“ nahm Erek das Bündel gefüllt mit einem Laib Brot und ein wenig Dörrfleisch, gerade genug für drei Tage, an und band es an den Sattel seines Kleppers. Karl trat mit seinem Ross noch ein wenig näher an Gerhard heran und schüttelte ihm die Hand. Er sagte zum verwunderten Grafen: „Ich gebe jedem besiegten Gegner zur Versöhnung die Hand. Nun werden wir weiter reiten, bis wir uns eines Tages wieder sehen!“
Ohne eine Antwort des Grafen Gerhard abzuwarten, wandte Karl sein Pferd um und trabte weg. Erek folgte seinem Herrn. Dies war ein Zusammentreffen gewesen wie jedes andere, dachte Erek. Tief in seinem Inneren hatte er jedoch das Gefühl, dass sie diesem Gerhard nicht zum letzten Mal begegnet waren.
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Re: Das verfluchte Artefakt: Die Suche
« Antwort #1 am: 3. Dez 2008, 19:13 »
Ein unbekannter Auftrag:

„Wir haben einen Menschen gefangen, der versucht hat, in die Schatzkammer eines Tempels einzudringen!“
Bei dieser Nachricht sträubten sich die Schuppen im Nacken von Krigzal, dem Hauptmann der Tempelwächter der Stadt Vulkan. Der Wächter, der ihm die Nachricht überbracht hatte, war ein Drakäer. Für seine Rasse hatte er die typische dunkelgrün geschuppte Haut. Nur die Brust war ungeschuppt, mit weißer Haut. Er hatte eine vorstehende Schnauze mit riesigen Nüstern und Ohren, die an kleine Drachenflügel erinnerten. Seine Augen waren weiß, die Iris schlitzartig, und an Fingern und Zehen hatte er kurze gebogene Krallen. Alles in Allem erinnerte sein Körperbau an den eines muskulösen Menschen. Diese Ähnlichkeit kam daher, dass Drakäer einer hybriden Rasse angehörten, die vor Jahrhunderten aus einer Verbindung von Menschen und Drachen entstanden war.
Wie es sein Rang als Tempelwächter vorschrieb, war der muskulöse Oberkörper des Drakäers, der Krigzal gegenüber stand, nackt. Er war nicht mehr als ein Novize, da noch keine Runen der großen Götter seine Brust zierten. Neben einem einfachen weißen Schurz trug er nur noch goldene Arm- und Beinschienen, sowie einen offenen, goldenen Helm. Bei hochrangigeren Tempelwächtern wie Krigzal waren Scheinen und Helm noch mit Edelsteinen verziert. Als Waffe trug der junge Novize noch einen vergoldeten Speer mit sechs Widerhaken. Sechs war die heilige Zahl der Drakäer, denn sechs Götter waren es, die die Erde beherrschten.
Der für die Drakäer wichtigste Gott war Vulkan, nach dem die Hauptstadt der Feuerlande benannt war, der Gott des Feuers und der Schmiedekunst. Es gab jedoch noch Aquaria, die Göttin des Wassers und der List, Quetzacoatl, den Gott der Lüfte und der Weisheit, und Mir, den Gott der Erde und der Stärke. Die beiden mächtigsten Götter jedoch waren Aureia, die goldene Göttin des Lichts und der Treue, und Kronos, der Gott der Schatten und der Lüge. In Vulkan gab es für jeden Gott einen großen Tempel, und die Aufgabe der Tempelwächter war es, sie alle zu beschützen.
Krigzal war der Anführer der Tempelwächter, was seine Rubinbesetzten Schienen und der mit Saphiren geschmückte Helm bestätigten. Er war ein stattlicher Drakäer, der durch seinen Posten hoch angesehen war. Es gab nämlich keine größere Ehre für einen Drakäer, als von den Göttern zum Tempelwächter berufen zu werden. Jeder neue Templer wurde nämlich mithilfe eines komplizierten spirituellen Rituals schon als Junges ausgesucht und von klein auf von den anderen Wächtern aufgezogen. Für Krigzal gab es keine edlere Aufgabe, als die Heiligtümer der Götter auf Erden zu bewachen.
„Sag mir, in welchem Tempel wurde der Mensch aufgegriffen und was hatte er dort vor, dass er unerlaubt eindringen musste?“, fragte Krigzal den Novizen. Dieser zuckte nur die Schultern und antwortete: „Er weigert sich, etwas zu sagen. Außerdem spricht er eine mir unbekannte Sprache. Wir hoffen, Ihr werdet ihn verstehen können, wenn Ihr zu ihm kommt. Wir haben ihn bereits hierher gebracht.“
„Dann führe mich zu ihm!“

Die Wachtkammer in Vulkan war ein ummauertes viereckiges Gebiet mit mehreren zusammengehörenden Gebäuden, wo die Tempelwächter lebten. Es gab zwei Tore, durch die man das Gelände betreten konnte: Eines im Osten, welches der Göttin des Lichts geweiht war, und eines im Westen, welches dem Gott des Schattens geweiht war. Der Gott des Schattens wurde von den Drakäern nicht als durch und durch böses Wesen angesehen, auch, wenn er durch die Lügen, die er verbreitete, meist Zerstörung mit sich brachte. Ebenso wenig war die Göttin des Lichts rein gut, denn sie schickte Blitze vom Himmel, die des Öfteren in den Boden einschlugen und heftige Brände verursachten.
Durch die Mitte der Wachtkammer zog sich die graue Straße, das Symbol der Einigkeit von Licht und Schatten. Nördlich dieser Straße befanden sich die Übungs- und Lehrplätze der Tempelwächter, südlich davon die Schlafstätten und die Speisekammer. Im Zentrum dieses südlichen Teils der Wachtkammer befand sich das sechs Stockwerke hohe, sechseckige Gerichtsgebäude, in welches Gefangene und Verbrecher gebracht wurden. Die Tempelwächter waren nämlich auch die Richter der Stadt Vulkan, und ihre Urteile wurden stets geachtet und nie in Frage gestellt.
Im ersten Stockwerk des massiven Gebäudes befanden sich ein Befragungsraum für Verdächtige und Zeugen, und eine riesige Folterkammer mit allen nur erdenklichen Werkzeugen, die jedoch meistens nicht gebraucht wurden, da sie schon so schrecklich anzusehen waren, dass ein jeder lieber ohne sie gestand. Im zweiten Stockwerk befanden sich ein Verhandlungssaal für öffentliche Gerichte, sowie ein Raum, in dem Todesurteile vollstreckt wurden. Im dritten, vierten und fünften Stockwerk befanden sich die Zellen für die Gefangenen. Je nach Ausmaß ihrer Strafe wurden ihnen die Stockwerke zugeteilt: Schwer Verurteilte befanden sich weiter unten, leicht verurteilte weiter oben. Die drei Gefängnisstockwerke waren noch nie voll gewesen, doch sie waren so angelegt, dass das Gerichtsgebäude über genau sechzig Zellen für je sechs Gefangene verfügte, zwanzig in jedem der drei Stockwerke. Im sechsten Stockwerk schließlich hauste Krigzal, der Anführer der Tempelwächter. Er sollte so hoch über der Stadt wohnen, um besser Zwiesprache mit den Göttern halten zu können. Ebenso war es mit den Gefangenen: Je eher ihre Taten zu entschuldigen waren, umso höher waren ihre Zellen gelegen, sodass die Götter ihre Gnadengebete eher erhörten. Damit die Götter jedoch nichts von den grausamen Foltermethoden mitbekamen, befand sich diese ganz Unten.

Krigzal war von dem Novizen in das erste Stockwerk des Gerichtsgebäudes geführt worden. Die Mauern waren aus festem Stein, und eine Wendeltreppe verband alle sechs Stockwerke miteinander. Nur wenige Meter zur linken Seite der Wendeltreppe befand sich das zweiflügelige Ausgangstor des Gerichtsgebäudes, zur rechten Seite war ein mehrere Meter langer, von Karfunkelsteinen erleuchteter Gang. Das erste Stockwerk war nämlich das einzige, welches keine Fenster besaß. Die linke Türe führte zum Befragungsraum, die Rechte zur Folterkammer. Der Novize öffnete die linke Türe und deutete Krigzal, einzutreten. Der Befragungsraum war sehr geräumig, sodass viele Tempelwächter einer Befragung beiwohnen konnten. Der Tisch in dessen Mitte machte gerade einmal ein Zehntel des gesamten Raumes aus. An diesem Tisch befanden sich zwei Stühle, sodass der Befrager und der Befragte immer sitzen konnten. Der Eine war leer, doch auf dem Anderen saß ein Mensch mit trotzigem Gesicht. Zwei Tempelwächter versuchten stehend, auf ihn einzureden, doch er brüllte ihnen nur Wörter aus einer unverständlichen Menschensprache zu. Wahrscheinlich waren dies Beleidigungen, doch nicht einmal Krigzal wusste, was sie bedeuteten. Als die zwei Wächter ihren Anführer bemerkten, verstummten sie und wandten sich ihm zu, seine Befehle erwartend. Er verhandelte lieber selbst und alleine, das wussten sie.
Mit einer raschen Geste bedeutete Krigzal den beiden anderen Drakäern, den Raum zu verlassen und die Tür zu bewachen. Der Novize hatte es nicht einmal gewagt, ihm zu folgen. Als er dann mit dem Menschen im Raum allein war, setzte er sich auf den zweiten Stuhl und betrachtete sein nun stilles Gegenüber.
Dieser Mensch war männlich, in der Blüte seiner Jahre und hatte helle Haut. Daher war er wohl einer vom Kontinent Latinien. Unter seiner ärmlich anmutenden Kleidung aus einem Kartoffelsack und einem schmutzigen Hemd erkannte Krigzal ein nicht besonders gut verborgenes Kettenhemd. Die Haare des Menschen waren kurz und braun, seine Augen von tiefem Blau, und aus seinem Gesicht leuchteten Hass und Trotz hervor. Dies war der erste Mensch, der dem obersten Tempelwächter nicht als Händler, sondern als Gefangener begegnete. Normalerweise interessierten sich die meisten Menschen vom Kontinent nicht für das Reich der Drakäer, nur einige Händler der Insel Katalaunien hielten regelmäßig mit ihren Schiffen an den Küsten der Feuerlande an.
Der Drakäer versuchte es zuerst in der Sprache der katalaunischen Händler, welche er schon gut beherrschte. „Wer bist du und was willst du?“, fragte er den Menschen, doch er erhielt keine Antwort. Vielleicht wollte er ihm einfach keine Antwort geben, vielleicht aber verstand er ihn auch nicht. Krigzal überlegte. Die meisten Latinier, auch die Katalaunier, hatten dieselbe Religion, die jedoch nur einen Gott besaß. Ihre Glaubensschriften waren laut den Händlern alle in der latinischen Sprache verfasst, die er selbst auch beherrschte, wenn auch nicht so gut wie die katalaunische. Wenn der Mensch hier diesem Glauben angehörte, dann müsste er diese Sprache wohl beherrschen.
„Wer bist du und warum wolltest du in den Tempel eindringen?“, fragte Krigzal den Menschen in der latinischen Sprache. Dieser verzog vor Ärger sein Gesicht und erwiderte in derselben Sprache: „Geht dich nichts an, wertloser Halbmensch! Möge der Herr dich auf ewig in der Hölle schmoren lassen, weil du meinen heiligen Auftrag behindert hast!“
„Was für ein Auftrag?“, hackte der Drakäer nach. Die Miene des Menschen blieb weiterhin stur. „Ich frage dich noch einmal: Worin besteht dein Auftrag?“ Wieder bekam er keine Antwort. Für Krigzal war das bereits normal. Keiner der Befragten hatte jemals schon beim ersten Mal etwas gesagt. Doch es gab ja zum Glück Methoden, jemandem zum Sprechen zu bewegen! Der Drakäer hob seine rechte Hand und zeigte dem Menschen seine Klauen. Dann stand er auf und ging auf ihn zu. Schon begann der Latinier, nervös hin und her zu blicken. Die Waffen waren ihm alle abgenommen worden, also hatte er keine Chance, sich zu verteidigen. Entkommen konnte er auch nicht, da die anderen Tempelwächter vor der Türe Wache hielten.
Bei dem Menschen angelangt, setzte sich Krigzal vor ihm auf den Tisch hin. Er setzte seine Klaue auf den Saum des Kartoffelsacks, und begann, ihn mit der Kralle aufzuschneiden. Nach und nach kam das Kettenhemd zum Vorschein.  Der Mensch war starr vor Schreck, und schon rollten ihm die ersten Schweißperlen von der Stirn. Er begann zu murmeln: „Allmächtiger Herr, lass mich nicht im Stich...“
„Was ist dein Auftrag?“
„... ich habe stets deine Gebote geachtet und mich nie gegen dich versündigt...“
„Was wolltest du im Tempel?“
„... lass mich nicht im Stich, ich habe es für dich getan...“
Nun riss dem Drakäer die Geduld. Er packte den Linken Oberarm des Menschen mit beiden Händen und knickte ihn, dass die Knochen darin barsten. Der Mensch schrie schrill auf und verfluchte ihn, doch er brüllte zurück: „Sag mir, wozu du hergekommen bist!“
„Elender Halbmensch! Der Herr wird dich bestrafen!“
„Was hast du im Tempel des Vulkan gesucht!?“
„Der heilige Vater wird euer Land vernichten, wenn er von euch erfährt!“
„Sag mir, was dein Auftrag ist! Ich bin noch zu viel mehr fähig!“
Der Mensch hörte auf zu schreien, doch seine rechte Faust schoss nach Vorne und traf Krigzals Gesicht. Der Tempelwächter spürte den Schlag nicht einmal richtig aufschlagen, und schon zog sich die Faust wieder zurück, aufgeschlitzt von den scharfen Schuppen im Gesicht des Drakoniers. Ungläubig starrte der Mensch zuerst auf seine blutige Rechte, dann auf seinen gebrochenen linken Arm. Schließlich wich jegliche Farbe aus seinem Gesicht, und er sank fassungslos zusammen.
„Nun gut...“, murmelte er: „Ich werde dir sagen, wozu ich hier bin... In Latinien ging die Kunde von einem Auftrag des heiligen Vaters des Glaubens um. Alle Ritter, die dem Herrn dienen wollen, sollen sich zu den Feuerlanden aufmachen, um...“
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Re: Das verfluchte Artefakt: Die Suche
« Antwort #2 am: 13. Jan 2009, 20:16 »
Geld und Sühne:

Der katalaunische Händler Fretarix zählte wieder einmal das Geld in seinem Beutel. Dies war eine alte Angewohnheit von ihm, und er wusste, dass sie nicht sonderlich gut wirkte auf die Menschen in seiner Umgebung. Besonders Räuber konnte dies leicht anlocken, doch Fretarix war reich. Auf der Straße war er immer von bewaffneten Söldnern, die ihn beschützen sollten, umgeben. Dafür wurden sie von ihm gut bezahlt und verpflegt. Er liebte es, sich sicher zu fühlen, und seiner Meinung nach gab es keinen sichereren Ort als zwischen einigen Waffen, die ihn für Geld beschützten.
Fretarix war ein ziemlich großer Mann, doch er war auch besonders dick, denn er liebte deftiges Essen. Ein ungepflegter, buschiger schwarzer Schnurrbart zierte sein rundbackiges Gesicht. Seine Augen waren braun, die Haare schwarz. Zurzeit trug er edle Seidenstoffe aus den fernen Ostlanden, eine dünne blaue Weste und eine weite weiße Hose. Um sich vor der Kälte, die so weit nördlich herrschte, zu schützen, hatte er unter der Weste noch ein dickes Hemd aus den gröberen Stoffen Latiniens. Seinen Kopf bedeckte er mit einer dunklen Filzkappe, die wohl überhaupt nicht zu seinen restlichen Gewändern passen wollte. Sein runder Bauch zeichnete sich deutlich unter den edlen Stoffen ab. Begrenzt wurde dieser durch einem Gürtel, an dem eine Hängewaage und ein Geldbeutel hingen, was diesen noch größer erscheinen ließ.
Viele Menschen sagten ihm nach, dass er geldgierig und geizig wäre. Er wusste nicht genau, weshalb, denn er hatte nur immer den Riecher für gute Geschäfte gehabt. Sein Heimathafen befand sich in Katalaunien, doch die Insel gab wenig an handelswürdigen Rohstoffen her. Daher war er vor vielen Jahren mit seinem einzigen Schiff ausgezogen und in den fernen Ostlanden gelandet. Schon mit einer Schiffsladung hatte er schon so gut verdient, dass er gleich noch einmal gefahren war. Nach und nach war er immer reicher geworden, und nun gehörte ihm eine ganze Flotte von Handelsschiffen, die überall in der Welt umherzogen und mit den verschiedensten Völkern Handel trieben. Fretarix hatte sogar Handelslinien zu einem Zwergenkönigreich in den nördlichen Gebirgen Latiniens, wo kein Mensch hauste, und zu den Drakäern der Feuerlande. Mit ihnen ging der Handel wie bei keinem anderen Volk, ob Mensch oder nicht. Sie waren gewillt, hohe Preise für edle Gewürze oder seltene Hölzer aus den Ostlanden zu bezahlen, und ihre kunstvoll geschmiedeten, harten Waffen erzielten in Latinien weitaus höhere Preise, als diese Drachenwesen von ihm verlangten. Die meisten Menschen wussten nicht einmal, dass die Drakäer überhaupt existierten. Sie mieden die gefährlichen Feuerlande mit ihren vielen Vulkanen und hatten so nie bemerkt, dass sich hier Leben niedergelassen hatte. Doch der heilige Vater hatte von ihnen herausgefunden, und er wollte eine Waffe aus den Feuerlanden. Sie war das größte Heiligtum der Drakäer, doch das Oberhaupt der latinischen Kirche wollte sie, um mit ihrer Hilfe die reformierte Kirche zu vernichten.
Eigentlich versündigte sich Fretarix durch den Handel mit ungläubigen Völkern gegen den einen Gott, dessen oberstes Gebot an die latinische Kirche es war, alle Ungläubigen entweder zu bekehren oder zu vernichten. Diese Drakäer glaubten sogar an sechs Götter, die die Welt gestalteten! Leider konnte er sich als einzelner Händler nicht gegen ein ganzes Königreich beweisen, doch er betete dreimal täglich um Vergebung dafür, dass er nicht jeden einzelnen Heiden umgebracht hatte. Außerdem verlangte er von den Ungläubigen immer viel mehr, als er rechtgläubigen Latiniern abknöpfen würde.
Das Handelsschiff Fretarix†™ lag schon seit drei Tagen im Hafen der Stadt Aquaria, einem großen Hafen der Feuerlande. Der Offizier des Handelsschiffes trat an ihn heran: „Mein Herr, wir sind bereit, um wieder abzureisen.“
Der Händler überlegte einen Moment lang. Er hatte einen edlen Ritter des einen Gottes mitgenommen, der den Auftrag des heiligen Vaters erfüllen wollte. Dieser hatte gesagt, er wäre bis zur Mittagsstunde wieder zurück, doch die Sonne hatte ihren Zenit schon überschritten. Fretarix wandte sich an seinen Offizier Martinus. Dieser war ein eher kleiner, aber muskulös gebauter Seemann, der schon viele Stürme überstanden hatte. Sein Haar war kurz und schwarz, seine Augen blau. Er war dem Händler treu ergeben und sein Liebster Schiffsführer über die weiten Meere der Welt. Zögernd befahl Fretarix ihm: „Wir warten noch eine Stunde lang, denn ich vermisse noch einen Gast, den ich mit hierher genommen habe. Wenn er in dieser Zeit noch nicht zurückgekehrt ist, dann segeln wir ohne ihn nach Katalaunien zurück.“ Einen Moment lang blickte der Händler seinem Offizier direkt in die Augen. Er versuchte, die Gedankengänge im Kopf des Seemannes zu erkennen. Leider war er nicht sehr geübt, einen anderen Ausdruck als das Blitzen der Gier und das Glänzen der Lüge hinter Pupillen zu erkennen. Die tiefblauen Augen des Seemannes verrieten nicht viel, außer der Sehnsucht nach dem offenen Ozean und der nächstbesten Hure.
Martinus schien der Blick seines Herrn unbehaglich zu werden, doch er sagte nichts. Schließlich fragte Fretarix ihn, was er wissen wollte: „Dir gefällt mein Befehl nicht, habe ich Recht?“
Die Miene des Offiziers wurde noch unbehaglicher. Nach einer kurzen Nachdenkpause antwortete dieser besonnen: „Mein Herr, wenn wir jetzt lossegeln, so sind wir zur Flut bei den Riffen und können sie gefahrlos überqueren. In einer Stunde wird dies schwieriger sein, und wir wissen doch nicht, wie die See sich in diesem Zeitraum verändern wird.“
Solch ein Einspruch erschien Fretarix einleuchtend, doch er stellte ihn nicht ganz zufrieden. Würde er den edlen Ritter auf dieser Insel lassen, würde der Herr ihn gewiss bestrafen. „Warten wir auf ihn“, sprach der Händler seine Gedanken aus: „so wird uns der Herr sicherlich mit einer ruhigen Überfahrt belohnen!“
Der Offizier stellte keine weiteren Fragen, sondern wandte sich ab. Obwohl er wie alle Seemänner gerne Hurenhäuser besuchte, war er dennoch gottesfürchtig. Auch Fretarix drehte sich um und blickte auf den Hafen. Es war nach so vielen Handelsreisen noch immer ungewohnt für ihn, anzusehen, wie sich solch reptilienartige Wesen am Hafen tummelten. Hier sollten Menschen herrschen, die den wahren Gott priesen, und nicht diese widernatürlichen halben Drachen!
Plötzlich wurde das geschäftige Treiben auf dem Hafen unterbrochen. Fünf bewaffnete Drakäer kamen durch eine der Gassen, und die Menge machte ihnen Platz. Wahrscheinlich waren dies hoch angesehene Krieger. Fretarix versuchte, sie genauer zu erkennen. Jeder von diesen Drachenmenschen hatte einen Speer bei sich, der ebenso groß war wie er selbst. Ihre Oberkörper waren, soweit der Händler erkennen konnte, nackt. Ansonsten trugen sie nur weiße Wämser um die Hüften, goldene Arm- und Beinschienen, sowie goldene Helme. Dies mussten wahrhaftig reiche Krieger sein, doch sie schienen nicht zum Vergnügen hier zu sein. Fretarix hatte ein komisches Gefühl in seiner Magengrube. Irgendetwas stimmte hier nicht, diese Wesen suchten etwas!
Als hätte er die Gedanken des Händlers gehört, deutete der vorderste der Krieger auf das Handelsschiff, worauf die Gruppe sofort ihre Schritte beschleunigte. Große Furcht stieg in Fretarix hoch. Was hatte er nur verbrochen, dass diese Halbmenschen ihn suchten? Hatte er gar gestohlene Ware gekauft? War er zu gierig beim Feilschen um ein wertvolles Schwert gewesen, dessen Besitzer nun seine Waffe wiederhaben wollte?
Ohne sich von der Gruppe der Drakäer abzuwenden, rief Fretarix nach seinen Söldnern. Erst als er nach einigen Momenten angespannten Wartens keine Antwort bekam, fiel ihm ein, dass er sie noch vor wenigen Minuten unter Deck geschickt hatte, damit sie etwas essen konnten. Wie töricht von ihm! Er hätte sie doch auch erst auf hoher See wegschicken können! Da könnte er wenigstens sicher sein, dass niemand auf sein Schiff gelangen und ihm etwas anhaben konnte!
Die Drakäer befanden sich nur noch wenige Meter von der Planke, die direkt aufs Schiffsdeck führte, entfernt. Fretarix spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Sie wollten tatsächlich zu ihm! Die Angst in ihm war so überwältigend, dass er sich nur noch mit den Fingern in den Holzbrettern der Reling festkrallen konnte. Schweiß perlte von seiner Stirn. Seinen Herzschlag konnte er jetzt schon ganz deutlich hören.
Die Krieger gingen nun ungehindert die Planke hoch. Jeder ihrer Schritte ließ das Holz leicht knarren, doch in den Ohren des Händlers klang dieses Geräusch wie die tiefen Schläge von Pauken, die seinen Untergang ankündigten. Als ihr Anführer seinen ersten Fuß auf das Deck stellte, eilte plötzlich Martinus auf ihn zu. Der Offizier würde sie sicher von dem Schiff vertreiben, dann wäre er gerettet! Fretarix†™ Finger entspannten sich wieder, doch sein Herz wollte nicht aufhören mit dem ständigen Hämmern in seiner Brust. Tief in seinem Inneren wusste er dennoch, dass der Offizier allein diese Krieger nicht aufhalten konnte.
„Was wollt Ihr auf diesem Schiff, Krieger?“, hörte der Händler die Stimme seines Offiziers. Nun hatte er sich vor den Drakäer gestellt, der um einen guten Kopf größer war und rein aus Muskeln zu bestehen schien. Der Halbmensch drehte seinen Kopf in die Richtung von Fretarix. Der Händler spürte genau den durchbohrenden Blick der Reptilienhaften Augen. Schon von weitem erkannte er den Zorn, der in ihnen flammte. Die Stimme des Drakäers hatte einen zischenden Akzent, mit dem er die Sprache Katalauniens verwendete. Seine Worte waren: „Ich klage den Händler Fretarix an, einen Verbrecher, der versucht hat, ein geheiligtes Artefakt aus dem Tempel des Feuers zu entwenden, auf unsere Insel gebracht zu haben!“
Jegliche Farbe wich aus Fretarix†™ Gesicht. Sein Atem wollte schier stillstehen vor lauter Schrecken. Er hatte fest damit gerechnet, dass der Ritter erfahren war und sich nicht so einfach erwischen lassen würde. Und nun hatte ihn dieser Bastard auch noch verraten! Wenn seine Kehle nicht von der Angst, die er verspürte, zugeschnürt gewesen wäre, so hätte er nun am Liebsten geschrieen, doch kein Laut kam über seine Lippen.
Es kam ihm so vor, als wäre sein Körper nicht mehr sein eigener, während ihn zwei der Krieger packten und abführten. So fühlte man sich also im Angesicht des eigenen Untergangs. Er hatte nicht einmal Zeit gehabt, ein Testament für etwaige Erben zu hinterlassen. Sein Vermögen in Katalaunien würde der Kirche übergeben werden. Sie würde ihn rächen, und diesen Drachenwesen ihr Land nehmen!
Die latinische Kirche würde ihn rächen!
Vorsicht Männer! - Alles auf die Knie!
Die Hexen kommen - Stark wie nie!
Vorsicht Männer! - Gebet Acht!
Ab heute Nacht ist jede Nacht Walpurgisnacht!

- EAV: Die Hexen kommen

Khamul

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Re: Das verfluchte Artefakt: Die Suche
« Antwort #3 am: 13. Jan 2009, 20:17 »
Eichhörnchenstreiche:

Trotz seiner schweren Rüstung schaffte es Karl, sich leise durch den Wald zu schleichen. Manchmal beneidete Erek ihn um diesen Schutz, so wie jetzt. Ihre Pferde hatten sie am Rande der Bäume angebunden, denn sie wären ihnen jetzt nur hinderlich gewesen. Zwei Tage waren nun vergangen, seit sie dem Ritter Gerhard begegnet und weiter nordwärts geritten waren. Größere Siedlungen hatten sie immer gemieden, um nicht auf zu viele Widersacher zu treffen. Der Nachteil an dieser Strategie war, dass sie sich ihre Nahrung selbst erjagen mussten. So wie jetzt. Karl hatte sich einen kurzen Speer mitgenommen und seinen Helm bei den Pferden gelassen, während Erek einen Köcher über der Schulter und einen Bogen in der Linken trug. Ihre Vorräte waren wieder einmal knapp geworden, daher mussten sie heute Erfolg haben, um nicht zu lange an diesem Wald verweilen zu müssen.
Das Laub am Boden raschelte leicht unter ihren Schritten, wurde jedoch vom Singsang der Vögel übertönt. Es war bereits Herbst, denn die Blätter der Laubbäume hatten sich schon verfärbt. Wie ein dünner Teppich in verschiedensten Rot- und Gelbtönen bedeckten sie den Waldboden. Die Vögel waren noch nicht in den Süden gezogen, wofür Erek sehr dankbar war. Er mochte das lustige Zwitschern der bunten Waldbewohner, denn sie erinnerten ihn an seine Heimat. Sein Vater war nämlich Falkner in Hellenien, dem Land am Meer. Wie viele Stunden hatte Erek damit verbracht, den Vögeln zu lauschen und zu träumen! Wie sehr hatte er immer die klugen Falken seines Vaters bewundert! Dieser war jedoch ein gläubiger Mensch gewesen und hatte Erek deshalb in die Knappenschule der heiligen Stadt geschickt. Für die jungen Schüler war es immer die größte Ehre gewesen, wenn sie am Sonntag dem Morgengruß des heiligen Vaters hören hatten dürfen. War jedoch nur ein einziger unter ihnen unartig oder nachlässig beim Erledigen seiner Aufgaben gewesen, so hatte ihr ganzer Jahrgang zur Strafe die Küche säubern müssen, anstatt der Sonntagsrede des heiligen Vaters zu lauschen. Auch, wenn sich Erek immer bemüht hatte, alles zur Zufriedenheit seines Lehrmeisters Bartholomäus zu erledigen, war sein dieser äußerst streng mit ihm und allen Anderen gewesen.
„Bartholomäus ist so viel anders als Karl“, dachte Erek lächelnd. Bei dem Ritter war es ihm bis jetzt immer gut ergangen, obwohl sie sich erst drei Wochen kannten, hatten sie schon eine freundschaftliche Beziehung zueinander aufgebaut. Trotz seines harten Kerns war Karl ein äußerst feinfühliger Mensch, obwohl er nicht sehr gesprächig war. Seine fehlenden Worte wurden durch umso mehr Taten wieder wettgemacht. Besonders bei der Jagd war der Ritter äußerst geschickt, vielleicht sogar noch besser als im Zweikampf. Von ihm musste Erek noch einiges erlernen, um mit ihm auf Gleich zu sein.
Beim Betrachten der Bäume fiel Erek plötzlich auf, dass hier im Norden viel mehr Nadelbäume wuchsen als in seiner Heimat. Dem Knappen war das Klima im Norden generell wunderlich, ebenso wie die Tiere hier. Man erzählte sich Geschichten von riesigen Bären, größer als Menschen, sowie von stacheligen Waldbewohnern, die sich zu einem dornigen Ball zusammenkugeln konnten. Außerdem gab es hier bereits Herden von Rentieren, und diese Huftiere wollten Karl und er jagen.
Einige pelzige Wesen huschten auf den Bäumen herum. Sie hatten rotes Fell, spitze Ohren, sowie buschige Schwänze. „Eichhörnchen“, sagte Karl, der den Blicken Ereks gefolgt war: „Sie sind ein wenig scheu, doch sie können einen ganz schön ärgern, wenn sie sich sicher fühlen.“ Noch einmal blickte er zu diesen Eichhörnchen hoch. „Wie sollten die uns schon ärgern können?“
Ein Lächeln huschte über Karls Lippen. Diesen Gesichtsausdruck hatte er immer, wenn Erek etwas nicht verstand. Er antwortete: „Sie machen sich einen Heidenspaß daraus, Wanderern – AUA!“
Ein Tannenzapfen hatte Karl am Kopf getroffen. Schnell blickte Erek hoch, doch sogleich flog ein Tannenzapfen direkt in sein Gesicht. Mindestens zehn Eichhörnchen tummelten sich auf dem Baum und warfen Zapfen auf die beiden Menschen hinunter. „Schnell weg hier!“, rief Erek, während er schützend die Hände über den Kopf hielt. Ohne die Reaktion seines Herrn abzuwarten, lief er in die Richtung eines schmalen Pfades, der tiefer in den Wald führte. Der Weg stieg leicht an, und bald schon hörte Erek keine fallenden Zapfen mehr. Als er sich jedoch wieder umdrehte, musste er erschrocken feststellen, dass er Karl nicht mehr sehen konnte. Er musste wohl in die andere Richtung gelaufen sein! So weit der Knappe blicken konnte, sah er nur Bäume und Sträucher in allen Größen und Formen. Er konnte die Farben verfärbter Blätter erkennen, die Stämme der Bäume und die immergrünen Nadelhölzer, doch nirgendwo schimmerte ein silberner Brustharnisch hervor. Ein dumpfes Gefühl setzte sich in Ereks Magen fest. Plötzlich fühlte er sich verlassen und einsam. Angst empfand er keine, denn er konnte den Weg jederzeit wieder zurückverfolgen. Doch was war mit Karl? War er unglücklich von einem Zapfen getroffen worden? War er gar einen Abhang hinab gestürzt und brauchte nun Hilfe?
Erek hatte überhaupt keine Idee, wo er seinen Herrn am Besten suchen sollte. Doch er musste gleich damit beginnen, wenn er nicht verloren gehen wollte in diesem Wald. Mit ein wenig unsicher gesetzten Schritten ging er wieder zurück zu dem Baum, an dem sie von den Eichhörnchen bombardiert worden waren. Langsam begann die Furcht in seinem Inneren zu keimen. Mit jedem Atemzug malte er sich neue Unglücke aus, die Karl zugestoßen sein konnten. Es schien endlos lange zu dauern, bis er endlich wieder die Tanne erreicht hatte, an der sie getrennt worden waren. Viele Zapfen lagen am laubbedeckten Waldboden, doch es war keine Spur von Karl zu erkennen. Langsam spürte Erek, wie die Panik in ihm hochstieg. Ohne auch nur einen Moment nachzudenken, rief er mit aller Kraft: „Karl! Wo bist du? Karl!“ Keine Antwort kam. Sein Herz fing an zu rasen, dass er befürchtete, es würde bald aus seiner Brust springen.
Plötzlich ertönte das Knacken eines Astes hinter Ereks Rücken. Sein Atem setzte aus. Seine Hände wurden feucht. Zentimeter um Zentimeter wandte er sich um. Hinter ihm befand sich der Weg, den er gekommen war. Auf den ersten Blick erkannte er nichts. Mit hämmerndem Herzen wartete er auf ein erneutes Geräusch. Sein Blick tastete systematisch die Büsche und Bäume am Wegesrand ab. Alles schien normal zu sein, bis auf...
Halb hinter einem Busch versteckt, lugte das Geweih eines männlichen Rentieres hervor. Es war mächtig und hatte unzählige Enden. Bestimmt war dies ein alter Bulle, der ihm sowieso nichts anhaben konnte! Wie im Flug verging Ereks Angst, und sofort ging er in die entgegen gesetzte Richtung weiter. Zwar fürchtete er noch immer, dass Karl etwas zugestoßen war, doch nun war er sich wenigstens sicher, nicht beobachtet zu werden. Erek bückte sich zum Boden. Man konnte die Spuren der großen, eisenbeschlagenen Schuhe des Ritters im Laub am Boden erkennen. Voller Zuversicht folgte er ihnen. Karl war tatsächlich in eine andere Richtung geflohen als er selbst, und wahrscheinlich suchte er ihn auch gerade. Doch der Knappe kam nicht sehr weit, bis die Spuren Karls direkt vor einer entlaubten Eiche plötzlich endeten und neue Abdrücke im Laub auftauchten. Es waren zweihufige Tiere gewesen, die Spuren ähnelten denen von Schafen, doch sie waren weitaus größer. Warum war der Ritter hier einfach verschwunden? War er etwa auf die Eiche geklettert? Wohl eher nicht, denn ansonsten würde Erek ihn wohl auf dem Baum sehen können.
Besorgt sah er sich um. Karl war nicht hier, so viel stand fest. Der Blick des Knappen kreiste herum, und blieb an dem mächtigen Rentiergeweih, welches er schon vorher gesehen hatte, hängen. Das Tier war ihm also gefolgt. Irgendetwas stimmte nicht. Normalerweise war im Herbst keine Brunftzeit, also konnte es ihn nicht als Rivalen um ein Weibchen ansehen. Aber warum folgte es ihn? Sicherlich hatte er es durch sein Geschrei angelockt, aber warum kam es dann näher.
Das Geweih kam näher. Zielstrebig bewegte es sich in Ereks Richtung, doch das Tier selbst blieb noch hinter den Büschen verborgen. Der junge Knappe machte einen Schritt nach Hinten und stieß mit dem Rücken an den Stamm der Eiche. Es gab nur noch einen Ausweg für ihn! Langsam zog Erek einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an die Sehne. Wenn er dieses über zwei Meter große Tier erlegte, dann würden sie mindestens eine Woche lang damit auskommen. Er spannte den Bogen. Präzise zielte er dorthin, wo er unter dem Geweih den Kopf des Tieres vermutete. Wenn er gut traf, dann würde er es mit nur einem einzigen Schuss erlegen. Erek zwang sich, ruhig zu bleiben. Er war geübt genug im Umgang mit seinem Bogen. Nur ein Treffer, und dann würde dieser Spuk hoffentlich vorbei sein.
Schon während er den Pfeil von der Sehne schnellen ließ, erkannte er, dass er nicht treffen würde. Er hatte zu viel gezittert! Schnell zog er einen zweiten Pfeil, doch plötzlich brach das Tier aus den Büschen. Erek stockte in seiner Bewegung. Dieses über zwei Meter hohe Wesen hatte zwar den Leib und das Geweih eines Rentiers, doch dort, wo der Kopf sein sollte, ragte ein nackter, muskelbepackter Männeroberleib mit bärtigem Haupt, aus dessen Schläfen das Geweih ragte, aus dem Körper des Rentiers. In der Hand hielt der groteske Halbmensch einen riesigen Knüppel aus Holz.
Entmutigt warf Erek seinen Bogen weg. So schnell wie er konnte, rannte er vor dem Rentiermann davon, doch er wusste, dass er keine Chance hatte. Immer lauter wurde das Getrampel der Hufe hinter ihm, immer deutlicher hörte er den Atem des Halbmenschen. Er wollte schreien, um Hilfe rufen, doch kein Laut entsprang seiner Kehle. Er rannte um sein Leben, seine Todesangst ließ die Geräusche, die er von seinem Verfolger vernahm, noch lauter erscheinen.
Plötzlich spürte Erek einen Schlag auf dem Hinterkopf. Seine Beine versagten, und er strauchelte. Nur noch verschwommen sah er neben sich die Hufe des Rentiermenschen am Waldboden. Er hörte jedoch nichts mehr, denn das Hämmern seines Herzens übertönte alles Andere. Er spürte nichts mehr, bis auf den pochenden Schmerz an seinem Hinterkopf. Langsam verschwammen alle Farben. Erek schloss die Augen. Er ließ sich gehen. Dunkelheit umfing ihn.
Dunkelheit.
Vorsicht Männer! - Alles auf die Knie!
Die Hexen kommen - Stark wie nie!
Vorsicht Männer! - Gebet Acht!
Ab heute Nacht ist jede Nacht Walpurgisnacht!

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